Analog by Verbrecher Verlag

Autor:Verbrecher Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783943167634
Herausgeber: Verbrecher Verlag

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Richmond, Virginia, 1990: Die Münchner Band F.S.K. ist, um das Album Son of Kraut aufzunehmen, zum ersten Mal in einem US-amerikanischen Studio. Für unsere Version der Nationalhymne der DDR hatte Produzent David Lowery ein paar alternative Hillbilly-Musiker ins Studio geladen, darunter seinen engen Freund Mark Linkous (plus Banjo): etwas darker, eher verschlossener Typ, auf Anhieb sympathisch. Auf unserem nächsten in Richmond produzierten Album rief Mark (wie ein Agitator am Megaphon) die englische Übersetzung zwischen die von Michaela Melián gesungenen Zeilen von Flagge verbrennen (Regierung ertränken).

Ein paar Tage später lud er uns (hinten in den Wäldern, gegen den Höhenzug der Appalachen hin) zu einem Barbecue in sein altersschwaches hölzernes Mansion ein. Endlose Landstraßen, afroamerikanische Tankstellen wie aus der Great Depression (die Schaufenster voller Gläser mit eingemachten Schweinefüßen). Wir lernten Marks Frau Teresa kennen, und er führte uns sein Studio im oberen Stockwerk vor, voller cheap drum-machines und noch billigerer Mikrophone, und da lehnte auch seine alte E-Gitarre, alles unter starkem Rauschen aneinandergetriggert nach der Philosophie: If you wanna sound cheap you gotta buy cheap. Mark hatte angefangen, unter eigener Regie Musik zu machen (aber er vertraue seiner Stimme nicht, sagten die eingeladenen Freunde, deshalb die kaputten Kassettenrecorder-Mikros).

Irgendwann gingen alle Männer (außer mir) zum Schießen in den Wald. Michaela, Juno und ich fanden aber auch den Kampfhund, der zwischen uns nach Seifenblasen schnappte, unheimlich.

Bei dem letzten Album, das wir in Richmond aufnahmen, war Mark drauf und dran, mit seinem Projekt Sparklehorse sehr berühmt zu werden, in dem er Lo-Fi-Songwriting in eine hypnotisch verschliffene, dub-ästhetische Trackigkeit überführte (und so nimmt es nicht Wunder, dass meine letzte Sparklehorse-Anschaffung ein gemeinsam mit Christian Fennesz eingespielter Tonträger war). Immer wieder versetzte ich mich gedanklich in Marks pastorales Studio, wenn ich seine so betörenden wie verstörenden Alben anhörte. In England wurde er größer als in den USA mit seiner Kunst. Einmal brach er in der Badewanne eines Hotelzimmers so unglücklich ohnmächtig zusammen, dass seine Beine keine Blutzufuhr mehr erhielten und von da an permanent geschient sein mussten. Betäubungsmittel brachten ihn letzten Endes um den Verstand. Teresa reichte die Scheidung ein. Am 6. März 2010 jagte sich Mark Linkous eine Kugel in sein Herz und starb.

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